„Ich wäre für euch eine gute Botschafterin“ – dennoch ließ Tijen Onaran den Deal mit Lern-App-Gründern platzen

In der Sendung war die Investorin von der App "Sag es auf Deutsch" begeistert. Doch im Nachgang hat sie doch nicht wie angekündigt investiert. Warum?
Zwischen all dem Visionärem und Innovativem, was in der Höhle der Löwen gepitcht wird, erdet der Auftritt von Matthias Geenen und Andrea Gößlinghoff. Denn sie erzählt erstmal von ihrer Realität als Lehrerin an einer Grundschule in einem sozialen Brennpunkt: 28 Schülerinnen und Schüler, einer davon geistig behindert, mehrere sozial auffällig, sechs sprechen kein Wort Deutsch und die meisten davon können auch weder lesen noch schreiben. „Wie soll man da allen Kindern gerecht werden?“ fragt Gößlinghoff.
Geht nicht, sei leider zu oft die Antwort. Kolleginnen und Kollegen ließen die Kinder, die mangels Sprachkenntnis nicht am Unterricht teilnehmen können, Mandalas ausmalen. Nicht, weil sie den Kindern nicht helfen wollten – sie schaffen es einfach nicht parallel dazu, den Rest der Klasse zu unterrichten.
Die Löwen nicken verständnisvoll. Integration, Lehrermangel, Bildungssystem digitalisieren – das scheint allen als sinnvoll und wichtig einzuleuchten. Und die Gründungsstory ist rund, weil so klassisch: Die Lehrerin hat quasi ihr eigenes Problem gelöst, als sie sich mit dem Mann einer ihrer Freundinnen zusammen tat, einem Informatiker, um eine Lernapp zu programmieren.
Und dann lässt sich damit offenbar auch noch Geld verdienen: „Sag es auf Deutsch“ ist eine Lernsoftware für Deutsch als Zweitsprache. Ein „digitaler Hilfslehrer“, erklärt Gößlinghoff, der Kinder mit Förderbedarf trainiert, während der analoge Lehrkörper den Rest der Klasse unterrichtet. Weil sich genau so einen Assistenten viele Lehrerinnen und Lehrer in Deutschland wünschen, kommt das Produkt sehr gut an: An 1.500 Schulen sei die App bereits im Einsatz, im vergangenen Jahr hat das Unternehmen mehr als 600.000 Euro Umsatz gemacht und dieses Jahr soll die Umsatz-Million geknackt werden.
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Die Forderung des Gründerduos aus Dortmund ist vor diesem Hintergrund überaus bescheiden, sie wollen 70.000 Euro für 10 Prozent ihrer Firmenanteile.
Noch während des Pitches beugt sich Carsten Maschmeyer zu seiner Mitjurorin Tijen Onaran und flüstert: „Ich steig da auf jeden Fall ein. Lass uns das zusammen machen.“ Und Tijen nickt. Maschmeyer macht daraufhin direkt Nägel mit Köpfen, er wird als erster gefragt und sagt als erster zu. Und um das direkt einzutüten drückt er den Gründern einen Scheck über 70.000 Euro in die Hand, da werde gar nicht lange verhandelt, sagt er.
Tijen Onaran, die da noch als Maschmeyers Co-Investorin auftritt, betont, dass sie ja auch selbst zweisprachig aufgewachsen sei, wenngleich ihr Türkisch nicht so gut sei. Sie kenne aber die Thematik und wäre deshalb eine gute Botschafterin für das Unternehmen, sagt sie. Außerdem bringe sie ein großes Netzwerk auch in die Politik mit. Und sei begeistert von den Gründern.
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Um so erstaunlicher, dass Carsten Maschmeyer auf Nachfrage von Gründerszene im Nachgang der Sendung schreibt: Der Deal sei wie in der Sendung besprochen zustande gekommen, 10 Prozent für 70.000 Euro. „Diese klare Vision und der gesellschaftliche Impact haben mich im Pitch sofort überzeugt, “ so Maschmeyer. Allerdings habe er das Investment letztlich doch allein gemacht, Tijen Onaran sei nicht mit eingestiegen.
Gründerszene fragte dazu auch bei Onaran nach. Aus ihrem Büro die relativ nüchterne Antwort: „Der Deal ist nicht zustande gekommen. Am Ende gab es unterschiedliche Vorstellungen von Zusammenarbeit. Wir wünschen Carsten Maschmeyer und ‘Sag es auf Deutsch‘ viel Erfolg.“
In der Vergangenheit ist Onaran stets als eher zurückhaltende Investorin aufgetreten. Zwei Deals pro Staffel, in der letzten sogar nur einer – mehr war bisher nicht passiert. Von bisher insgesamt fünf Deals sind drei nach Ausstrahlung der Sendung nicht zustande gekommen.
Onarans schlechte Deal-Quote soll, so erfuhr Gründerszene, in Produktionskreisen für Unmut gesorgt haben. Hier hatte man sich ganz offensichtlich mehr Investments erwartet – so wie Onaran sie zu ihrem Einstieg auch in Aussicht gestellt hatte. Auf Nachfrage von Gründerszene äußerte sich Onaran damals zu ihrer Zurückhaltung und möglicherweise fehlender finanzieller Mittel nicht direkt. „Als Unternehmerin konnte ich Impulse setzen und habe in die Startups investiert, die für mich am aussichtsreichsten und spannendsten sind. Umso mehr freue ich mich, dass FreeMom und Loggä sich erfolgreich entwickeln.“
Fakt sei aber auch, so Onaran weiter, dass sich ihr Weg parallel zur Höhle der Löwen weiterentwickelt hat. „Jetzt stehe ich an einem Punkt, an dem ich meiner Rolle als Impulsgeberin für Politik und Wirtschaft mehr Raum geben werde. Dass ich weiterhin investieren werde, zeigt, dass ich gerade erst mit einem Investment in wondder.io mein Portfolio erweitert habe.“
Tijen Onaran stieg in die 14. Staffel, die ab Herbst 2023 ausgestrahlt wurde, als neue Investorin ein. Im Oktober 2024 wurde dann bekannt, dass sie die Gründershow nach der 17. Staffel, der jetzigen, wieder verlassen werde. Ihre Mitjuroren sollen davon aus den Medien erfahren haben – was diese entsprechend irritiert haben soll. Doch auch davor soll es immer wieder zu Reibereien zwischen Onaran und den anderen Löwen gekommen sein, wie Gründerszene erfahren hat.
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businessinsider